Zu den Perspektiven Griechenlands vor den Wahlen |
Zu den Perspektiven Griechenlands vor den Wahlen
Prof. Dr.-Ing- Nicolas P. Sokianos
GRIECHENLAND steht vor vorgezogenen Wahlen, die am 25.1.15 stattfinden. Das Parlament wurde vorfristig aus Verfassungsgründen aufgelöst, weil in drei Versuchen der namentlichen Abstimmung der 300 Abgeordneten die erforderliche Mehrheit für einen neuen Präsidenten des Landes nicht erreicht wurde. Der in zweiter Periode amtierende Präsident Papoulias durfte nach zehn Jahren nicht wieder antreten.
Die letzten Wahlen haben im Juni 2012 stattgefunden und haben zu einer Regierungskoalition aus der führenden konservativen "Neuen Demokratie", der sozialistischen PASOK und der kleineren "Demokratischen Linke" geführt. Letztere ist aus dem Koalitionsbündnis aufgrund politischer Divergenzen schon vor Monaten ausgeschieden.
Bei den Wahlen zum Europaparlament hat die konservative "Neue Demokratie" von Regierungschef Samaras herbe Verluste erlitten, trotz der Wahlunterstützung aus Brüssel bzw. aus Deutschland. Gewonnen hat die Linke "SYRIZA", des charismatischen Linken Tsipras, der die Partei aus einem Zusammenschluss mehrerer linken Gruppierungen in den letzten Jahren von 4% auf vermutlich jetzt 33% entwickelt hat. Das ist schon eine Leistung.
Der Sieg der Linken erscheint als sicher, eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze ist allerdings weniger wahrscheinlich, eine Überraschung ist jedoch nicht ausgeschlossen, da die stärkste Partei nach dem Wahlgesetz einen Bonus von 50 Sitzen im Parlament bekommt.
Tsipras und seine in Marxismus sehr gut geschulten Mitstreiter, viele von denen in jungen Jahren Mitglied in der kommunistischen Partei, haben ein Regierungsprogramm entwickelt, das diverse Wahlversprechen enthält, von der Anhebung des Mindestlöhne auf 751€ bis zur Wiedereinstellung entlassener Journalisten des staatlichen Fernsehens, eine "Institution", die Samaras in einer Art "Überfall" geschlossen hat, um den Auflagen der Troika entgegen zu kommen. Die schweren Eingriffe im kollektiven Arbeitsrecht will die Linke ebenfalls zurückdrehen. Und die humanitäre Krise in der Gesellschaft lindern. Das kommt in breiten Schichten der Bevölkerung an.
Die wirtschaftliche Lage des Landes ist im sechsten Jahr nach Ausbruch der Krise katastrophal. Das Rettungsprogramm, vereinbart mit den Kreditgebern, der Troika aus EZB, IWF und der EU Kommission, z.T richtig, zum Teil falsch konzipiert, wurde zögerlich umgesetzt, hat das Land nicht wirklich aus der Schieflage und der de facto Insolvenz führen können, trotz des riesigen ersten Schuldenschnitts. Im Gegenteil, die Arbeitslosigkeit liegt bei 26%, unter den Jugendlichen liegt sie bei unerträglichen 60%, einer von drei Haushalten kann seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat, den Banken und den Sozialkassen nicht nachkommen, die Produktion ist nach wie vor rückläufig. Es handelt sich um tickende "Zeitbomben", sie werden demnächst neue Lücken in der Finanzierung des Landes reißen.
Der Tourismus allein, zudem saisonal ausgerichtet, kann nicht die Defizite in allen anderen Bereichen ausgleichen. Das Land kann sich nicht mal selber aus der eigenen Landwirtschaft ernähren, importiert Lebensmittel aus verschiedenen Ländern, aus dem EU-Raum, z. B. Käse aus Holland, Milch aus Deutschland und auch außerhalb der EU wird eingekauft, in der Türkei und in afrikanischen Ländern sowie in Südamerika. Auch mangelt es an Vertriebselan sowie an leistungsstarken Organisationen für die Produkte aus der griechischen Landwirtschaft.
Die Privatisierungsauflagen der Troika wurden nur ansatzweise erfüllt, so haben die Chinesen Teile des Hafens von Piräus gekauft, Investoren halten sich aber im Wesentlichen zurück. Der Euro macht die Produktion im Land zu teuer, die Bürokratie ist stark ausgeprägt, die Steuergesetzgebung wird am laufenden Band geändert. Außenstände an Steuerschulden belaufen sich auf über 80 Milliarden. Und nehmen zu.
Die Linke Partei von Tsipras will einen starken Akzent in Richtung Staatswirtschaft setzen, um so die Arbeitslosigkeit einzudämmen. Die Stärkung der Privatwirtschaft, insbesondere der siechenden Industrie und des Handwerks bleibt ein Fragezeichen. Reformen sind auch in der Landwirtschaft überfällig. Syriza will große Vermögen steuerlich stark belasten und die unteren Schichten entlasten. Mehr noch, sie will die alten politischen Kasten, die das Land in verschiedenen Varianten seit Jahrzehnten ununterbrochen regieren, demontieren. Kein leichtes Unterfangen.
Die Griechen wollen den Euro behalten, über 70% sprechen sich dafür aus. Aber die Problematik der niedrigen Produktivität und insbesondre die gänzlich unzureichende Technologieorientierung sowie die kümmerliche Produktion lässt wenig Raum für Wohlstand und für eine optimistische Entwicklung zu. Allein mit Sparappellen, wie sie häufig aus der deutschen Bundesregierung zu hören sind, kann keine moderne, produktive Wirtschaft aufgebaut werden. Deutschland weiß das, die Erfahrung der Integration der neuen Bundesländer ist gegenwärtig. Und: die DDR hatte eine Industriekultur, die Griechenland in vergleichbarem Maßstab nicht hatte. Es handelt sich also um einen deutlich schwierigeren Sanierungsfall!
Die Wahlen sind aus den genannten Gründen nicht allein über die Zukunft des Landes entscheidend, angesichts der gigantischen Probleme. Die linke Syriza wird vermutlich mit einem oder mit zwei Koalitionspartnern eine Regierung bilden, die einen neuen Schuldenschnitt und eine Aussetzung der Sparprogramme und der Umstrukturierung zum Inhalt haben wird. Als Koalitionspartner wird die neue Partei "to POTAMI", der Fluss, gehandelt, die sicher die Hürde der 3% überspringen wird. Ins Parlament wird auch die rechtsnationale "Goldene Morgenröte" einziehen, deren Führer seit Monaten in Untersuchungshaft sitzen und die "Kommunistische Partei Griechenlands", die auf eine stabile Wähler-Basis setzt, aber auf keinen Fall mit Syriza zusammenarbeiten will. Das wird jedenfalls vor den Wahlen so behauptet.
Die Glaubwürdigkeit der regierenden Koalition ist leider verspielt worden. Seit den Europawahlen ist ein Populismus, sichtbar über eine Regierungsumbildung eingezogen, gefolgt von leichtfertigen Versprechen und Fehlern des Regierungschefs. Er war schlecht beraten. Übrigens, der ehemalige Regierungschef und Chef der Sozialisten, Papandreou, 2009 mit 44% gewählt, hat die von seinem Vater gegründete PASOK verlassen, kürzlich eine eigene Partei gegründet, die kaum ins Parlament einziehen kann. Die alte Pasok kämpft um ihr Überleben.
Wie geht es weiter?
Es gibt zwei Wege,
- die Fortsetzung der Hilfen an Griechenland über mehrere Jahre, im Euro, also weitere, signifikante Mitteltransfers. Der Zeithorizont ist mit dem der neuen Bundesländer vergleichbar. 20 Jahre.
- die Rückkehr zur Drachme, begleitet um Hilfsmaßnahmen.
Die Rückzahlung der Schulden von über 300 Milliarden Euro in voller Höhe ist so oder so ausgeschlossen. Da hat Tsipras recht.
Die im Frühjahr 2014 erfolgreich am Markt platzierten griechischen Staatsanleihen, kamen aus wahltaktischen Gründen, zur Europawahl, waren abgekartet und haben dem Land und dem Regierungschef Samaras im Prinzip sehr geschadet. Es wurde nämlich aus Athen suggeriert und auch von der Bundesregierung geteilt, dass Griechenland fast saniert sei, sicher auf .. . gutem Weg.
Nicht wirklich...leider!
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