Pressespiegel
 Technologiemanagement in der Produktentwicklung von KMU 
(GfPMagazin März 2010)


Technologiemanagement in der Produktentwicklung von KMU
Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos

Welche Strategien verfolgen kleine mittelständische Unternehmen in Bezug auf ihre Patente und Urheberrechte, kurzum das Intellectual Property (IP) bei der Technologie-Entwicklung? Und wo werden Unterschiede in Bezug auf einen sehr großen international tätigen Konzern sichtbar?
Im Rahmen eines Forschungsprogramms an der Beuth-Hochschule für Technik wurden vier KMU analysiert, die jeweils in unterschiedlichen Branchen tätig sind. Sie sind aufgrund der Vertraulichkeit der Informationen nicht mit ihrem Firmennamen aufgeführt, sondern mit einer Codierung.
Bei dem großen Benchmark-Unternehmen handelt es sich um SIEMENS, Sparte Medizintechnik

1. Innovation ist keine Domäne der Größe
Innovationen werden als ein "Muss" für das Bestehen im Wettbewerb angesehen, auch für KMU. Aufgrund knapper Ressourcen sind jedoch deren Handlungsspielräume in Bezug auf die systematische Entwicklung des Technologie- und IP-Managements eingeschränkt. Im Bericht erfolgt eine Typologie wesentlicher Einflussfaktoren. Die Typologie orientiert sich am Benchmark SIEMENS Medizintechnik; dieser SIEMENS Geschäftsbereich ist hinsichtlich der Patent- und Markenrecht-Führung sehr gut als Referenz geeignet. Die hier erzielten Geschäftsergebnisse hinsichtlich der Margen der Medizintechnik sind zweistellig.

Implementierung des Technologie- und Patentmanagements
Bei der Einführung des Patentmanagements in das Tagesgeschäft, gestützt auf neue Verfahren und Technologien, werden die folgenden Meilensteine (Abbildung 1) empfohlen:

  • Festlegung der Ziele einer technologieflankierenden Patent- und Urheberrechtestrategie.
  • Analyse der internen und externen Einfluss- und Störfaktoren.
  • Definition der IP im Bezug auf die Zielmärkte, die Ressourcen, das Budget und die geografische Ausrichtung; dies unter Berücksichtigung der Konkurrenten und Kunden.
  • Implementierung der benötigten Patentprozesse und Verknüpfung mit bereits vorhandenen Geschäftsprozessen wie Produktlebenszyklus- und Kundenbeziehungs-Management (CRM - Customer Relationship Management). Dies ist bei KMU in der Regel Chef-Sache. Die klassischen Vertriebsleute sind bei Intellectual Property-Fragen lediglich sekundär wirksam (ganz anders im großen Unternehmen).





Mit dem Konzept CRM wird sichtbar, dass der Vertrieb und das Marketing in großen Unternehmen eine primäre Rolle in diesem Prozess spielen: Sie haben am ehesten ein Gefühl für den "Puls des Kunden" und können den Entwicklern wertvolle Hinweise auch bezüglich der erforderlichen Ressourcenallokation liefern. Denn es gibt immer mehr gute Ideen als solche, die auch profitabel sind und sich im Kampf um die Kunden rechnen. Schließlich nützt das beste Patent nichts, wenn die Kunden an dem daraus abgeleiteten Produkt kein Interesse finden.


(Abb. 2: IP Protfolio Entwicklung in großen Unternehmen)


Zur Implementierung der strategischen Ziele werden einige Zwischenschritte (Abbildung 2) definiert sowie Handlungsempfehlungen festgelegt, um die Zwischenschritte zu erreichen.

2. Typologie der analysierten Unternehmen

Unternehmen FORH: kleines mittelständisches Unternehmen, Rechtsform GmbH & Co. KG, ca. 100 Mitarbeiter, internationale Distribution, Hauptkunden Luftfahrtindustrie und Behörden, Produkte der Elektroakustik, Forschung und Entwicklung durch eigene Abteilung und Kooperationspartner im Ausland, Innovatiospreisträger.

FORL: kleines mittelständisches Unternehmen, Rechtsform AG, ca. 80 Mitarbeiter, internationaler Vertrieb, Branche: Umweltmesstechnik, intensive Forschung und Entwicklung, Innovationspreisträger.

FORV: mittelständisches Unternehmen, Rechtsform GmbH, ca. 200 Mitarbeiter, Vertrieb und Engineering weltweit, Branche: Anlagen- und Pipeline-Bau, intensive Forschung und Entwicklung in eigener Regie sowie mit Kooperationspartnern.

FORG: mittelständischer Zulieferer der Automobilindustrie, 180 Mitarbeiter, Rechtsform GmbH, europaweite Aktivitäten, Branche: Automobil; IP Rechte: durch eigene Entwicklung.

IP-Roadmapping-Chart





3. Strategische Technologie- und Unternehmensentwicklung der untersuchten Unternehmen; Kernkompetenzen
Die gezielte Verbindung des Patent- und Markenschutzes bei der Einführung von neuen Produkten oder Dienstleistungen ist für KMU-Unternehmen kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Die Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb unterstützt die marktseitige Verankerung der Unternehmen durch IP, stärkt also ihr Profil als Spezialist, das über mehrere Jahre, z.T. Jahrzehnte, geprägt wird. Eine Patentgenerierung und Vermarktung in breitere, bisher nicht bediente Marktsegmente, ist für KMU nicht unproblematisch, so die Befunde aus meiner Analyse (Gefahr der Verzettelung bei knappen Ressourcen).

Alle untersuchten Unternehmen haben die Kommunikation der Nutzeneffekte aus der spezifischen und geschützten Technologie am Markt, z.T. auch deren Verteidigung vor Gericht (wenn notwendig), zur Chefsache erklärt.
Bei der Expansion in neue Vertriebsregionen wird dieselbe Technologie-Strategie beibehalten. Juristische Aspekte des Patent- und Markenschutzes werden lokal adaptiert und berücksichtigt. Wichtige Patente werden international angemeldet, Markenrechte auch.

Die Technologie- und Dienstleistungsstrategie wird regelmäßig überprüft; im Kontext der Aktivitäten des Wettbewerbs einerseits (Business Intelligence), anderseits im Kontext der sich verändernden Kundenwünsche und Technologien. Dieser Prozess kann nicht in allen seinen Aspekten demokratisch abgestimmt sein. Letztendlich muss die Geschäftsführung auch unter Unsicherheit und Abwägung von Risiken und Chancen entscheiden. ("Strategy development cannot be a completely democratic process. The leader must ultimately decide" / Michael Porter 4).

Gegenüber viel größeren Unternehmen, wie z.B. SIEMENS, gibt es auch Unterschiede: Technisch: Es wird kein Cross-Licencing praktiziert. Im Management: die Intensität der Technologieentwicklung ist nicht immer stetig, der Nachdruck ist relativ stark vom Tagesgeschäft abhängig, es gibt keine expliziten Forschungsmanager. Gleichwohl sind sich die Unternehmensleitungen der technologischen Kernkompetenzen und deren Bedeutung bewusst; Innovationspreise fördern das Bewusstsein und die Loyalität der Mitarbeiter, was sich wiederum positiv auf das Arbeitsklima auswirkt und die Fluktuation auf niedrigem Niveau hält. Finanzmanagement: Eine klare Budgetierung der Mittel für die Technologieentwicklung findet zwar statt, jedoch meist getrieben von den Auflagen der Banken oder der Fördermittelgeber. Entsprechend schnell wird dann auch der Formalismus der Budgetierung, der in großen Unternehmen wie Siemens unabdingbar ist, fallengelassen und der situativen Entscheidung ein Vorrang eingeräumt.


4. Zusammenfassung
Auch wenn die vorliegenden Forschungsergebnisse als Fallstudien nicht den Anspruch einer Verallgemeinerung erheben, sind erste Schlüsse aussagekräftig:

  1. Das Thema Technologieentwicklung und IT-Roadmapping ist sehr wohl auch im Bereich der KMU von Bedeutung - nicht nur in großen Konzernen.
  2. Es lohnt sich, eine klare Technologieentwicklungs- und daraus abgeleitete IP- Strategie zu verfolgen und sie auch in einer Konsolidierungsphase durchzuhalten.
  3. China ist ein "heißes Pflaster" in Bezug auf Patente für den Mittelstand. Das einzige Unternehmen, das vor Ort produziert hat und seine Technologie dem chinesischen Partner offen gelegt hat, hat es bitter bereut. Ein anderes untersucht gerade die Qualität seiner von chinesischen Firmen gefälschten Produkte und ist äußerst kritisch (d.h. ablehnend) bei Anfragen seitens asiatischer Studierenden bezüglich Praktika und Diplomarbeiten.
  4. Fördermittel im Kontext der Technologieentwicklung, die zu Patenten führen, sind ein wichtiger Hebel für den Erfolg. Die Bürokratie wird aber stark kritisiert.
  5. Public Relations Maßnahmen sind in den KMU Chef-Sache.
  6. Hochschulen/Universitäten können den Prozess der Technologie- und IP -Entwicklung in den Feldern ihrer Kompetenz unterstützen. Hierzu ist aufgrund der Sensibilität der Thematik ein langjähriges Vertrauensverhältnis zum KMU notwendig und darüber hinaus die entsprechende, ausgewiesene Expertise.
  7. Alle Unternehmen sind Familienunternehmen, d.h. mit den entsprechenden Einflussnahmen der Gründer oder deren Nachkommen. In allen Fällen hat die Produktentwicklung zunächst in Marktnischen stattgefunden und prägt das Geschäft bis heute.

Literatur
  1. Raczynski/Sokianos. In: Produkt- und Konzeptpiraterie. Hrsg.: Nicolas Sokianos, Gabler, 2006, Seite 223-236
  2. Burr/Stephan/Weisheit: Patentmanagement. Schäffer-Poeschel, 2007
  3. Weber/Hedemann/Cohausz: Patentstrategien. Heymanns, 2007
  4. Michael Porter, Strategies. Vortragsunterlagen, World Business Forum, Frankfurt, 2004


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