Pressespiegel
 Low Cost Produktion in Deutschland?! 
 (GfPMagazin März 2012


Low Cost Produktion in Deutschland?!
Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos

Der Titel ist bewusst mit einem Fragezeichen versehen. Denn viele Jahre lang galt Deutschland als teurer Produktionsstandort, Low Cost Countries mussten und müssen erschlossen werden, die Lieferanten dort qualitativ ertüchtigt werden.

Wie ist aber der Ausblick bis 2015?
Mit dieser Fragestellung hat sich eine Delphi-Forschungsstudie befasst, die an der Beuth Hochschule für Technik von Prof. Dr. Sokianos konzipiert und vorgestellt wurde. Die Delphi-Studie gibt durch "Feedback-Schleifen" die Möglichkeit, die Aussagen der anderen Experten zu reflektieren und ggf. die eigenen Aussagen und Prognosen zu korrigieren. Beteiligt haben sich über dreißig Unternehmen aus verschiedenen produzierenden Branchen (Automobil, Zulieferer, Flugzeugbau, Flugzeuglieferer, Medizintechnik, Chemie, Maschinenbau, Nutzfahrzeugbau). Aus dem umfangreichen Pool der Antworten und Kommentare werden hier zum ersten Mal die Forschungsergebnisse veröffentlicht.

Die Ergebnisse:
Große Zustimmung findet (nach wie vor) das Thema Lean Production; dies ist die logische Konsequenz der Einschätzung, dass der Kostendruck in Deutschland weiter bis 2015 zunehmen wird (96% Zustimmung).

Preiserhöhungen, die aufgrund des Kostendrucks notwendig sind und weitergegeben werden können, sieht nur eine Minderheit (9%) als realistisch an.
Die Sicherung des Technologievorsprungs und der Qualität wird mit Maßnahmen zum Know-how-Schutz vor Piraterie / illegalem Know-how-Abfluss gekoppelt (82%), sie erreicht eine sehr hohe Zustimmung.

Der Aussage, "die Fertigungslohnkosten in Deutschland sind zu teuer, daher macht das Thema Low Cost Produktion keinen Sinn", stimmen lediglich knapp 5% zu. Low Cost Produktion in Deutschland ist sehr wohl ein Thema, wie es auch durch diverse Kommentare verdeutlicht wurde.

Quelle: WSI-Mindestlohndatenbank 2011

Weitere Rationalisierungsmaßnahmen in höherer Material- und Energieeffizienz sehen über 76% als notwendig an.

Ebenso hoch ist die Zustimmung bei dem Themenkomplex: Produktentflechtung, Modularisierung, Konstruktionsvereinfachung.
Hier macht sich immer noch eine Diskrepanz zwischen der Konstruktion / Produktentwicklung sowie der Fertigung / dem After Sales bemerkbar. D.h. es gilt, auf diesem Wege Rationalisierungspotentiale zu erschließen. Durch intensivere Zusammenarbeit der Fachabteilungen.

Die Arbeitnehmermobilität innerhalb der Europäischen Union hilft bisher und in absehbarer Zeit nicht, um Kostensenkungen im Personalbereich der Produktion zu erzielen.

Das Meinungsbild ist bei der Möglichkeit der "Kostendegression über den Vertrieb in neuen Märkten" gespalten. Eine klare Zustimmung kam lediglich von ca. 45% der Mitwirkenden, eine bedingte Zustimmung immerhin von ca. 32%.
Es kann daraus geschlossen werden, dass die Vorteile der Globalisierung nicht allen Unternehmen zugänglich sind.

Die abschließende These, "Low Cost Produktion in Deutschland, das schließt sich eigentlich aus, egal welche Betrachtung wahrgenommen wird", erreicht 14% Zustimmung, 22% bedingte Zustimmung und 64% Ablehnung.

In verschiedenen Kommentaren und in persönlichen Gesprächen sind weitere aktuelle Aspekte hervorgebracht worden, so z.B. die Notwendigkeit, sogenannte "High End" Produkte in Deutschschland zu fertigten, aber mit Low Cost Technologien. Dies könnte man von den Asiaten lernen.

Das Lernen verbunden mit dem Technologiewandel stellt eine echte Bedrohung für den Standort Deutschland dar. Gemeint ist das schnelle Lernen der Wettbewerber aus deutlich preiswerteren Standorten innerhalb und außerhalb der EU. Wobei das Geschehen außerhalb der EU für Deutschland gefährlicher ist; innerhalb der EU kann Deutschland seine Interessen als starke Wirtschaftsmacht z.T. diktieren. In Asien nicht.

Als Beispiel sei das Lampenwerk von OSRAM, eine Tochter von SIEMENS, genannt. Hier sollen ca. 400 Arbeitsplätze wegfallen. Der technologische Wandel von der Glühbirne hin zu der LED bringt eine höhere Automatisierung mit sich und somit benötigt der Prozess weniger Arbeitskräfte. Erschwerend kommt der Preisverfall hinzu, der der Adaption dieser Technologie in Asien geschuldet ist. Koreanische Konzerne wie LG und Samsung suchen entschlossen und aggressiv ihre Chancen. Die holländische Philips auch. Das turbulente Umfeld hat in der Branche "Networks" auch der Arbeitsplatzsituation in Deutschland zugesetzt. Nokia Siemens Networks steckt in der Krise und hat weltweit einen Stellenabbau angekündigt, Deutschland ist nicht ausgenommen.

Ist man in der Forschung und Entwicklung sicherer?
Nicht unbedingt, wie das aktuelle Beispiel des Pharma Herstellers NYCOMED belegt. Der Konzern wurde von der japanischen Firma TAKEDA vor ca. einem Jahr übernommen. Es wurde von den neuen Eigentümern beschlossen, die Forschung und Entwicklung am Standort Konstanz zu schließen, 400 qualifizierte Arbeitsplätze fallen weg.

Das Auslagern von ganzen Abteilungen, z.B. des Einkaufes von Produktionsmaterial (Automobilindustrie nach Ungarn), verbunden mit sehr hohen Investitionen in neuen Werken, legen eine ausgefeilte Globalisierungsstrategie offen.
Sie lautet: Sowohl in Deutschland in Richtung Low Cost Produktion operieren als auch im Ausland investieren. Dort gibt es wiederum eine zwei Klassen Belegschaft: Die Mitarbeiter, die beim OEM eingestellt sind und solche, die über Zeitarbeitsfirmen für den OEM arbeiten. So kann man grob gesprochen die Personalkosten zweimal halbieren (sprich auf etwa ein Viertel senken!) Einmal auf dem Weg von Deutschland nach Ungarn und zum zweiten durch Outsourcing innerhalb Ungarns.

Die stark gebeutelte griechische Wirtschaft sieht den stürmischen Entwicklungen nicht tatenlos zu. Charakteristisch für eine ganz produktionsnahe Branche auch in Deutschland, ist das Speditionsgewerbe. Griechische Spediteure verlassen massenweise den Standort, flaggen quasi aus, wie die Reeder und melden ihre LKWs in Bulgarien an. Dort kann man in ein bis zwei Tagen, deutlich schneller als in Griechenland, ein neues Unternehmen gründen. Der LKW kann nach der Entrichtung der Gebühren von € 300 bis € 3000 in der EU operieren, natürlich auch in Griechenland. In Bulgarien werden die Gewinne mit 10%-12% besteuert, in Griechenland mit bis zu 45%. Die Sozialabgaben betragen in Bulgarien 16%, in Griechenland 50%. Die Einstellung der preiswerteren bulgarischen Fahrer liegt da auf der Hand.

Mindestlöhne sind in Deutschland nur in wenigen Branchen eingeführt. Noch sind die großen Gewerkschaften stark und verhandeln ohne den Staat die Lohnerhöhungen. Allerdings ist auch in Deutschland eine Distanzierung von den Arbeitgeberverbänden zu spüren.

Low Cost Produktion in Deutschland ist angesichts der dynamischen und vorhersehbaren Entwicklung der Globalisierung eine dringende Notwendigkeit. Die Zeiten der 90er Jahre, wo Unternehmen aus dem Ausland wieder nach Deutschland aus Qualitätsgründen zurückgekommen sind, sind vorbei.
Dass die USA neidisch auf das deutsche und japanische Produktionswunder schauen, ist verständlich. "We cannot remain the world`s engine of innovation without manufacturing activity", heißt es im Bericht des National Science Board vom Januar. Die Arbeitsplätze in der High-Tech- Produktion sind in den USA von 2000 bis 2010 um 28% ge-schrumpft. Es ist fast unmöglich, diese Erosion in wenigen Jahren rückgängig zu machen.

Die drohende Rezession in der EU, die bei der letzten Finanzkrise mit sehr vielen Schulden und globalen staatlichen Programmen gedämpft wurde, erfordert neue, zügige Maßnahmen zur Verteidigung der Produktion in Deutschland.

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