Pressespiegel
 Das Multiprojektmanagement im Fadenkreuz
 
 (GfPMagazin Dezember 2015


Das Multiprojektmanagement im Fadenkreuz
Prof. Dr.-Ing- Nicolas P. Sokianos

Auf dem diesjährigen Kongress "Production Systems", veranstaltet von ManagementCircle, sind verschiedene Themen intensiv Es ist ein Charakteristikum unserer Zeit: Immer neu, immer mehr, wechselnde Prioritäten....Die Antwort, die auf diese Problematik in den Betrieben und in den Verwaltungen gegeben wird, heißt häufig: "Projektmanagement"! Zwar haben vermutlich die damit konfrontierten Mitarbeiter irgendwann in ihrer Ausbildung Projektmanagement-Grundlagen gelernt, aber die Gefahren, die in der Praxis lauern, sind doch andere als die an der Uni.
Wenn schon mehrere Projekte gleichzeitig in einer Organisation parallel laufen und um Ressourcen konkurrieren, wenn die Vorgesetzten aus Linienfunktionen alles andere als erfreut sind, Ressourcen abzugeben, so wird das Dilemma sichtbar: Die sich überlappenden Projekte und Prioritäten benötigen nicht nur gut geschulte Mitarbeiter in Methoden und in Tools des Multiprojektmanagement, sie benötigen auch souveräne und umsichtige Führungskräfte mit einer guten Portion Erfahrung und nicht zuletzt auch mit Intuition.
In Unternehmen sind leider häufig sehr viele abgebrochene Projekte zu vermelden, Termine die zugesagt wurden, können nicht eingehalten werden, Qualitätsdefizite ziehen Reklamationen oder gar Rückrufe und Klagen mit sich. Noch schlimmer, junge Talente werden im Dickicht der komplexen und diffusen Aufgaben und Prioritäten verschlissen, müssen herhalten, wenn Sündenböcke gesucht werden. Sie werden abgekanzelt oder von der Karriereleiter gestoßen. Dabei verdienen diejenigen Strafe, die Projekte schon von der Konzeption her so unzureichend mit Ressourcen und Kompetenzen ausgestaltet haben, dass sie scheitern mussten.

Lean als Irrgarten
Die Idee des Lean Management hat ohne Zweifel einen guten Kern: "Verwaltungswasserköpfe" zu verschlacken, unnötige Hierarchien, die keine eigene Wertschöpfung generiert haben, zu reduzieren, aber gleichzeitig die Bereiche und die Funktionen zu stärken, die Wertschöpfung sichern oder gar entscheidend für das Überleben des Unternehmens in der Zukunft sind.
Gerade aber der zweite Teil, die gezielte Umverteilung und Stärkung von kritischen Funktionen, fällt dynamisch dem Rotstift zum Opfer. Flache Hierarchien mit einer Führungsspanne von 1 zu 12 oder höher führen dazu, dass eine wirkliche Führung von Mitarbeitern kaum möglich ist. Ist man in einem Unternehmen, wo die Arbeit immer projektorientiert abläuft und es somit die entsprechende Kultur gibt, dann kann die Sache gut gehen. Handelt es sich aber um ein klassisch nach Linien strukturiertes Unternehmen, das kaum Erfahrung mit Projekten hat und obendrauf Mitarbeiter gegen ihren Willen und ohne Unterstützung vom Linienvorgesetzten temporär ins Projekt abkommandiert werden, so sind schon die Weichen sehr falsch gestellt.
Solange das Top Management den Fokus auf die Bedeutung dieses Projektes richtet, so kann es evtl. noch über zusätzliche Ressourcen, evtl. von außen, gerettet werden. Wechseln die Prioritäten, so ist es sehr wahrscheinlich, dass es Konflikte geben wird.
Die Amerikaner plädieren in solchen Situationen dafür, dass der Projektleiter einen sehr "guten Draht" zum Top Management bzw. zum Auftraggeber hat, zu Recht. Das alleine reicht aber nicht aus. Denn häufig genug gibt es neben der definierten Aufgabe auch eine versteckte oder gar eine persönliche Agenda, die mit der "Politik" zu tun hat.


Culture eats strategy for breakfast
Dieser Spruch hat es in sich. Man kann Strategien ohne Ende entwickeln, dazu externe Expertisen einholen und in vielen Sitzungen um Formulierungen feilschen. Die Glaubwürdigkeit und die Belastbarkeit jedoch können nur durch die gelebte Praxis bestätigt oder zerstört werden und zwar blitzartig. Hier sind nicht nur die Führungskräfte alleine gefordert, sondern auch die sogenannten Stakeholder, z.B. die Aktionäre über ihre Vertreter im Aufsichtsrat, in Gesellschaften mit begrenzter Haftung die Gesellschafter oder die Beiräte. Darüber hinaus sind die Mitarbeiter gefragt, die auch selber die Unternehmenskultur mitprägen. Ist aber eine Kultur üblich, die z.B. nur Priorität "eins" und "eins mit Stern" kennt, wie mir kürzlich eine Führungskraft erzählte, wo also alles top dringend und wichtig dazu ist, so führt dies sicher zu keinem guten Ende. Kultur wird sicher nicht nur durch die Setzung von Prioritäten sichtbar, sondern über die Art wie Kommunikation und Entscheidung praktiziert wird, wie mit Lieferanten und mit Kunden umgegangen wird und nicht zuletzt wie das Unternehmen in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.


Personalentwicklung mit Mentoring
Wir wissen doch längst, dass die Entwicklung von Führungs- und Fachkräften in einer bestimmten, für das Unternehmen geeigneten und von den Betreffenden mitgetragenen Weise, mehrere Jahre beansprucht; und so viel Zeit ist bei immer neu aufkeimenden Krisen und Lean-Wellen meist nicht da. Die Folge ist, dass Unternehmen, die in die Defensive geraten, ihr Heil in überhasteten Personalabbau-Aktionen suchen und zugleich Mitarbeiter in mehrere Projekte hineinkommandieren. Multipro-jektmanagement droht dann in einen mehrfachen Projektschaden zu münden.
Mentoring klingt als neuer Weg, ist er es aber auch? Mit einem Mentor bekommt der Nachwuchs, der ein oder gar mehrere wichtige Projekte führen soll, einen erfahrenen Manager an die Seite, der einen auf der Fahrt durch die Projektuntiefen und die Politik-Klippen berät.
Die Mentoren sind ihren Anvertrauten in der Regel nicht nur eine oder mehr Hierachiestufen voraus, sie haben auch deutlich mehr Berufs- und interne Firmenkultur-Erfahrung. In bestimmten Fällen kann die Funktion des Mentors ein externer Coach übernehmen, sofern er das Vertrauen des Top Management genießt und über lange Jahre Erfahrung in diesem Unternehmen gesammelt hat. Mentoren stehen als vertrauliche Ansprechpartner bei Problemen zur Seite, die man mit dem direkten Vorgesetzten (in Matrix Organisationen hat man ggf. auch zwei Vorgesetzte) nicht besprechen möchte oder nicht besprechen kann, weil der Chef selber unter enormen Druck steht und keine Zeit / Geduld hat.


Personalpolitik ist Kulturpolitik
Unter Lean Aspekten haben Personalabteilungen schon lange selbst zu leiden. Sind sie doch öfter selber über Cafeteria-Systeme, Shared Services und administrativen Pflichten hinaus kaum für Aufgaben konstruktiver Personalpolitik mehr zuständig. Outsourcing tut schließlich auch unter Controlling Gesichtspunkten einen spürbaren Dienst zur Entschlackung der Personalentwicklungs-Funktionen: nicht ohne Folgen. Denn auch in Puncto Persönlichkeitsentwicklung sündigen viele Unternehmen. Manchmal hat die Personalpolitik sogar Spitzenkräfte zu Anpassern gemacht, die eben diese Attitüde über Multiprojektmanagement weitertragen, vorleben. In manchen großen Häusern und Institutionen des öffentlichen Dienstes gibt es Mechanismen, die ein Beschäftigter nur übersteht, wenn er ohne Ecken und Kanten ist. Das ist kritisch.

Ein zukunftsorientiertes Multiprojektmanagement braucht nicht nur Spezialisten, die ihr methodisches Handwerkzeug gut beherrschen, es braucht Menschen mit Charakter.

(Multi)projektmanagement in anderen Kulturkreisen ist eine interessante, aber auch schwierige, mitunter auch gefährliche Aufgabe. Denn: 40% der Expatriates, der entsendeten Spezialisten und Führungskräfte nach China, brechen vorzeitig ihren Auslandsaufenthalt ab, lesen wir in dem Buch "Unternehmensführung und Projektmanagement in China" (Hrsg. Joanne Huang, Symposion Publishing 2015, ISBN: 978-3-86329-670-4, € 45,00).

Kulturmanagement

  • Globale Teamführung,
  • Beziehungsmanagement,
  • Kommunikation und Verständigung sowie
  • landesspezifische Arbeitseinsätze
müssen nach Joanne Huang sorgfältig mit Leben gefüllt werden. Das Harmoniebedürfniss der Chinesen ist unbedingt zu berücksichtigen. Ein solides Vertrauen aufzubauen braucht Zeit und Fingerspitzengefühl. Umgekehrt sind in der Regel die chinesischen Kollegen oder Partner gerne bereit, Neues, Interessantes sowie Nützliches für ihr Geschäft und privat zu erfahren.


Weitere Buchempfehlung zum Thema!

Multiprojektmanagement
Herausforderungen und Best Practices

Claus Hüsselmann, Jörg Seidl (Hrsg.), Symposion 2015, ISBN: 978-3-86329-680-3, € 59,00




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